Matthäus 21,1-11
Als sich Jesus mit seinen Begleitern Jerusalem näherte und nach Betfage am Ölberg kam, schickte er zwei Jünger voraus und sagte zu ihnen: Geht in das Dorf, das vor euch liegt; dort werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Fohlen bei ihr. Bindet sie los, und bringt sie zu mir! Und wenn euch jemand zur Rede stellt, dann sagt: Der Herr braucht sie, er lässt sie aber bald zurückbringen. Das ist geschehen, damit sich erfüllte, was durch den Propheten gesagt worden ist: Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist friedfertig, und er reitet auf einer Eselin und auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers. Die Jünger gingen und taten, was Jesus ihnen aufgetragen hatte. Sie brachten die Eselin und das Fohlen, legten ihre Kleider auf sie, und er setzte sich darauf. Viele Menschen breiteten ihre Kleider auf der Strasse aus, andere schnitten Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. Die Leute aber, die vor ihm hergingen und die ihm folgten, riefen: Hosanna dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe! Als er in Jerusalem einzog, geriet die ganze Stadt in Aufregung, und man fragte: Wer ist das? Die Leute sagten: Das ist der Prophet Jesus von Nazaret in Galiläa.
Kurzgedanke
Morgen ist Palmsonntag. Viele kennen nach wie vor seinen Ursprung. Und doch: Wenn heute von Palmen die Rede ist, kommt dem Gartenfreund in den Sinn, dass er spätestens in dieser Zeit daran denken sollte, die Stoffhülle, die er im Herbst zum Schutz vor der Kälte um seine Palme im Garten geschwungen hat, langsam aber sicher entfernen sollte, will die Palme die warmen Sonnenstrahlen auch wirklich geniessen dürfen. Beim Wort Palmen schwirrt in unserer Zeit vor allem aber der Begriff Palmöl durch unsere Köpfe. Wo ist eigentlich kein Palmöl drin, fragen wir uns? Wie können wir von hier aus etwas dafür tun, dass dieser unseligen Entwicklung solcher Monokulturen und allen damit verbundenen Folgen Einhalt geboten werden kann? Und nicht zuletzt erinnert uns der Begriff Palmen an wunderbare Ferien, irgendwo an einem schönen Strand, einem weichen Wind, der sanft über den Körper gleitet, ausgesetzt. Palmsonntag hingegen verbindet damit etwas ganz anderes. Im oben erwähnten Matthäus-Evangelium hören wir, wie Menschen Zweige von den Bäumen schnitten und sie zusammen mit ihren Kleidern auf den Boden streuten, damit der Friedfertige, der auf einer Eselin nahte, darüber hinwegschritt, währenddessen sie Hosanna dem Sohn Davids riefen und Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe! Was muss in den Köpfen dieser Menschen vorgegangen sein? Erahnten sie, wer da über ihre Kleider hinwegschreiten würde – Der Sohn Davids, der kommt im Namen des Herrn? Sie kannten keine Ferien am Strand, aber Mühsal und Unterdrückung. Die wenigsten waren wohlhabend und reich, doch gross in der Hoffnung auf den angekündigten Erlöser. Es muss an jenem Tag was Besonderes, was Knisterndes in der Luft gewesen sein. Denn jede und jeder war auf den Beinen. Alle in grosser Erwartung dessen, was da kommen sollte. Was oder wer aber sollte kommen? Die einen erhofften sich eine starke Persönlichkeit, die der römischen Herrschaft endlich ein Ende bereiten würde. Einer, der diese fürchterliche Ohnmacht endgültig aus dem Land herauspeitschen würde, bis hin zur letzten Sandale. Die Hoffnung auf einen Neubeginn ohne Hunger und das Gehen können durch Strassen, ohne den vielen Gekreuzigten am Wegesrand begegnen zu müssen. Die anderen sehnten sich nach einem Frieden im Herzen. Dieser fehlende Frieden, einem Hunger gleich, der nicht gestillt werden kann, weil derart viel Hass und Unversöhnliches und eine unstillbare Gier das Herz ausfüllt. Und nun sollte er also kommen – nein, er soll bereits da sein! So hörte man in allen Gassen um jede Ecke herum. Jener Erwartete, jener Ersehnte. Er würde gleich da vorne auftauchen. Auf einer Eselin, so hiess es. Und jeder könne ihn sehen! Wenn vielleicht auch nicht berühren, so doch zumindest das Glück haben, dass er auf dem Rücken des Tieres über die eigenen Kleider liefe! Es muss ein verrückter Augenblick der Geschichte gewesen sein, ihm, dem Erwarteten, zumindest für eine Sekunde in die Augen blicken zu können. Vielleicht gar ein Lächeln erhaschen zu dürfen. Aber die Freude war von kurzer Dauer. Die Geschichte verlief anders, als erwartet. Völlig anders. Und diese Andersheit sollte derart auf die Menschheit wirken, dass sie noch zweitausend Jahre später davon sprachen. Voller Hoffnung, voller Hunger, voller Sehnsucht.
Guido I. Tomaschett Diakon
Comments